Worauf Unternehmen achten sollten, wenn sie Beratung zum Thema unternehmerischer Klimaschutz suchen, erklärt Nachhaltigkeitsexpertin Yvonne Zwick im Interview. Sie ist Vorsitzende des Netzwerks für nachhaltiges Wirtschaften B.A.U.M., das seine Mitgliedsunternehmen bei der Transformation unterstützt.
GREEN.WORKS: Frau Zwick, der Markt für Klima und Nachhaltigkeitsberatung boomt. Es gibt immer mehr Firmen mit immer vielfältigeren Angeboten. Ist das aus Ihrer Sicht gut oder schlecht?
Mehr Innovation und Angebote sind gut, um Klimaschutz und Nachhaltigkeit voranzubringen. Es gibt allerdings auch Schattenseiten: Für Unternehmenskunden wird es immer schwieriger, den Überblick zu behalten über den Markt, auch in Bezug auf die Qualität der Angebote. Die Verabschiedung der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) der EU hat dazu geführt, dass Unternehmen teilweise mit Beratungsangeboten überschwemmt werden - darunter auch unseriöse.
GREEN.WORKS: Wir haben auch eine Diskussion Klimaschutz vs. Nachhaltigkeit. Wie soll ich mich da als Unternehmen verhalten? Reicht es, wenn ich mir zunächst den Klimaschutz vornehme? Oder sollte ich von Anfang an Nachhaltigkeit in ihrer ganzen Breite denken?
Mein Rat ist immer, mit dem anzufangen, wo der Schuh drückt. Wenn Klimaschutz zwar in aller Munde ist, man selber aber Soziales, Ökologisches und Governance anpacken will oder muss, dann sollte man den Einstieg über eine Nachhaltigkeitsstrategie suchen. Wenn ich aber merke, das Klimathema drängt, vielleicht weil ich durch die Belegschaft, durch Regulierung oder die Kunden unter Druck stehe, dann beginne ich dort. Eins aber ist immer wichtig: Im unternehmerischen Gesamtkontext zu handeln, damit ich eine ganzheitliche Transformation erreiche.
GREEN.WORKS: Sie warnen davor, dass die Bemühungen sonst nicht nachhaltig sind.
Wer sich ernsthaft mit dem Klimathema befasst, wird sich die Frage stellen müssen, wie sich das zum Gesamtsystem Unternehmen verhält. Dann komme ich vom Hölzchen aufs Stöckchen, dann geht es auch um Ressourceneffizienz, um Biodiversität und all das, was noch zum Ökosystem des Unternehmens gehört.
GREEN.WORKS: Ist es nicht fast besser, vom Hölzchen aufs Stöckchen zu kommen, statt sich von Anfang an das große Thema Nachhaltigkeit vorzunehmen, womit man dann möglicherweise überfordert ist? Welcher Ansatz ist da in der Praxis erfolgversprechender?
Das ist sehr unternehmensindividuell und hängt von Strukturen, Kultur und Ressourcen ab. Deswegen meine Empfehlung, dort zu beginnen, wo der Schuh am meisten drückt. Denn dann habe ich das Gefühl, dass das Thema sehr konkret und drängend ist und packe es entsprechend an.
GREEN.WORKS: Viele Nachhaltigkeitsberatungen können Klima, aber nicht alle Klimaberatungen Nachhaltigkeit. Wen sucht man sich als Unternehmen besser als Partner?
Pragmatismus schadet nicht. Wenn man Klima machen möchte, kann man auch erstmal zu einer Klimaberatung gehen – und sich später weitere Partner suchen. Viele Beratungen bringen auch ein Netzwerk mit. Gerade bei den kleineren ist das Netzwerkdenken stark ausgeprägt.
GREEN.WORKS: Wir haben es am Markt mit einer extremen Informationsasymmetrie zu tun: Unternehmen, denen das Wissen fehlt, um eine gute Beratung zu identifizieren. Wie kann man dieses Problem überwinden?
Wir haben als B.A.U.M. e.V. eine kleine Checkliste veröffentlicht für seriöse Nachhaltigkeitsberatungen, wo wir ein paar Kontrollfragen inklusive Antworten zur Verfügung stellen. Man sollte prüfen, nach welchen Standards ein Dienstleister arbeitet. Und natürlich spielen auch Werte eine Rolle. Oder die Frage, welche Geschäftspartner schon mit einer bestimmten Beratung arbeiten. Lassen Sie sich Referenzen geben und erkundigen Sie sich nach deren Erfahrungen.
GREEN.WORKS: Was sind für Sie absolute Musskriterien für einen Dienstleister?
Dass er die gängigen Standards erfüllt. Für die Klimabilanzierung sind das GHG Protocol oder die ISO14064 maßgeblich. Wichtig ist auch, dass geprüft wird, welche externen Anforderungen das Unternehmen erfüllen muss in Bezug auf Regulierung und Stakeholder-Erwartungen. Die Ergebnisse der Arbeit müssen transparent und für externe Prüferinnen und Prüfer nachvollziehbar sein.
GREEN.WORKS: Was sind weitere Kriterien?
Arbeitet die Beratung mit der Wissenschaft oder wissenschaftsbasiert? Unterliegt sie einer berufsständischen Aufsicht wie zum Beispiel Wirtschaftsprüfungen oder Umweltgutachter, die von der Deutschen Akkreditierungsstelle akkreditiert wurden? Ich schaue auch, ob ein Unternehmen selbst ein Nachhaltigkeitsmanagement hat. Denn ich lerne am liebsten von Beratungen, die für sich selbst solche Prozesse valide und glaubwürdig aufgesetzt haben.
GREEN.WORKS: Es wird immer wieder auf Bezugsrahmen und Wesentlichkeit als wichtige Elemente der Beratung abgestellt. Warum ist das so wichtig?
Weil es wichtig ist zu verstehen, wie der Klimawandel auf das Geschäftsmodell wirkt. Das schaffe ich nur in Bezug auf die planetaren Belastungsgrenzen, ansonsten wird es beliebig, was wesentlich ist. Danach sollte man sich bei der Suche nach einer Beratung erkundigen: Was ist der Scope dessen, was ich betrachten sollte? Wie tief in die Lieferkette hinein sollte ich Klimaschutz anstrengen angesichts meines Geschäftsmodells? Wenn ich da eine gute Antwort bekomme, dann ist das ein Hinweis für Qualität.
GREEN.WORKS: Wann sollte man skeptisch werden? Was sind Punkte, bei denen die Alarmglocken schrillen sollten?
Selbstgemalte Label, die nicht auf etablierten Standards basieren. Auch wenn auf einer Webseite in der „Wir“-Form gesprochen wird, und als Team nur eine Ansprechperson erkennbar ist, werde ich skeptisch.
GREEN.WORKS: Wie stark darf die Umsetzung von Klimaschutz und Nachhaltigkeit in einem Unternehmen durch Geschäftssinn gesteuert sein und wann wird es unseriös?
Unternehmerisches Denken bedeutet immer, dass sich Geschäftsmodelle tragen sollen. Es ist absolut berechtigt, auch beim Klimaschutz danach zu fragen, wo der Return on Investment am größten ist. Deswegen glaube ich auch daran, dass das Thema Wirkungsanalyse stärker in den Fokus geraten wird.
GREEN.WORKS: Wie sehr darf sich ein Berater den Wünschen des Kunden hingeben? Und wie sehr sollte er darauf pochen, dass bestimmte Standards auch wirklich umgesetzt werden?
Es ist wichtig, dass Beratung auf anerkannten Standards basiert. Das geschieht in der Praxis auch. Ich habe schon viele Geschichten gehört, wo glaubwürdig agierende Beratungen gesagt haben: diesen Weg des Kunden gehe ich nicht mit, dem entziehe ich mich, da möchte ich nicht dafür geradestehen müssen.
GREEN.WORKS: Zeichnet es einen guten Berater aus, dass er auch mal Nein sagt?
Einen hochprofilierten auf jeden Fall! Und wenn ein Kunde nur eine abgespeckte Lösung haben will, dann kann eine Beratung das zwar mitmachen, aber auch dazusagen, dass diese Lösung womöglich nicht ausreichen wird. Manche Kritik, der sich Unternehmen hinterher ausgesetzt sehen, ist für Profis absehbar. Sie ist zu vermeiden, wenn Unternehmen frühzeitig in den offenen Stakeholder-Dialog mit Geschäftspartnern, Belegschaft oder NGOs gehen, um wichtige Informationen für eine belastbare, vorausschauende Nachhaltigkeits- und Klimaschutzstrategie einzuholen.
GREEN.WORKS: Können Sie uns eine Vorstellung zu den Kosten geben? Womit muss ein Unternehmen rechnen?
Nach oben hin gilt: Es gibt keine Grenzen. Es hängt sehr stark vom Ambitionsniveau des Unternehmens ab und wie viel selbst gemacht wird. Das hängt von den individuellen Ressourcen und Überzeugung ab.
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Dieser Text erschien zuerst auf www.agrarzeitung.de.