Im Kontext von Covid-19 wurden 2020 viele Messen und Veranstaltungen rundweg abgesagt. Besonders Unternehmen, für die das b2b-Marketing eine große Rolle spielt, hat dies hart getroffen. Denn während bei b2c-Marken von Natur aus ein größerer Fokus auf der Customer Journey liegt und Kunden so schneller den Weg zum hauseigenen Onlineshop beschreiten, sind die komplexen Einkaufsmechanismen in b2b-lastigen Unternehmen deutlich weniger flexibel.
Trotz der großen Digitalisierungswelle der vergangenen Monate gibt es also durchaus Unternehmen, die beim Bemühen um bestmögliche Reichweite innerhalb ihrer Zielgruppen nicht auf direkte Begegnungen verzichten können. Die aktuelle Herausforderung liegt jedoch nicht nur darin, den Bedarf nach physischen Treffen mit geltenden Hygieneanforderungen zu vereinbaren. Es gilt vielmehr auch, die veränderten Ansprüche des Publikums zu berücksichtigen.
Forderung nach neuen Formaten
Denn während sich in den letzten Monaten ein Großteil des sozialen Lebens gezwungenermaßen in die digitalen Kanäle verlagerte, ließen sich die damit einhergehenden Vorteile gründlich entdecken. So erlebte man auch mit Zoom & Co. erfüllende Kontakte und produktive Meetings und konnte bei vielen digitalen Events einfach mal zwei Stunden reinhören, ohne dafür eine 3-Tages-Reise auf sich zu nehmen. Das Leben ließ sich sowohl ein Stück diverser als auch einfacher gestalten.
Kurz gesagt: Die Menschen werden in Zukunft voraussichtlich eine Mischung aus physischen und digitalen Veranstaltungen wollen. Insbesondere in der kommenden Zeit, in der die ersten Vor-Ort-Präsenzen starten, ist es zudem sicherlich von Vorteil, ergänzende digitale Events vorzusehen, die im Notfall auch alleine als Fall-Back stattfinden können. Das trägt nicht nur zur Planungssicherheit aller Beteiligten bei, sondern hilft auch, Budgetverschwendung zu vermeiden.
Lockdown-Hürden für klassische Shops
Vor allem Marken, die in ihrer Marketing-Planung international Inszenierungen an unterschiedlichen Touchpoints vorsehen, sind aktuell sehr heterogenen Bedingungen ausgesetzt. Zum einen in punkto klassischer Shop: Physische Verkaufsräume müssen sich weltweit mit sehr unterschiedlichen gesetzlichen Bedingungen herumschlagen. Es gibt leichte und schwere Lockdowns mit unplanbaren zeitlichen Verläufen und erheblichen Einschränkungen bei der Präsentation von Produkten.
So stellt sich zum Beispiel für Autohäuser aktuell die Frage, wie man ein solch emotionales Produkt bei seiner Neueinführung ohne Live-Event verkaufen kann? Natürlich gibt es inzwischen die Möglichkeit, sogar Autos im Online-Shop zu erwerben. Doch trotz teils inzwischen perfekter Darstellungs- und Konfigurationsmöglichkeiten, fehlen dabei ganz entscheidende, markenbildende Komponenten: Emotionalität, persönlicher Kontakt und Gemeinschaftserlebnis.
Keine Rückkehr zur traditionellen MesseZum anderen befindet sich das Veranstaltungsformat „Messe“ schon länger in der Krise. Einige Branchen haben ihre Leitmesse bereits verloren, andere sind gerade dabei sie umzugestalten. In den meisten Fällen ist die Ursache das Fehlen einer zeitgemäßen Inszenierung so wie man sie von coolen Events kennt. Denn immer weniger Unternehmen geben sich mit der üblichen Standard-Präsentation zufrieden. Nach Corona wird man also kaum wieder zur dieser Veranstaltungsform zurückkehren.
Aktuell stellt sich vor allem die Frage, wie hier eine Digitalisierung aussehen könnte. Nur bei sehr wenigen wird voraussichtlich der Wunsch danach groß sein, sich mit einer 3D-Brille auf der Nase durch virtuelle Messehallen zu bewegen. Sehr viel wahrscheinlicher ist hingegen, dass das verwandte Format Event an die Stelle von Messen tritt. Schon vor Corona war eine Mischung aus Konferenz und Event tonangebend, während das eigentliche Produkt zunehmend in den Hintergrund trat.
Digitalisierung mit „mehr Mensch“Egal, ob man Autos, Industrie-Produkte oder Services verkauft: Mit Events kann dies auf eine lockere, unterhaltende und soziale Art und Weise geschehen, die sowohl live als auch digital zeitgemäß wirkt und Menschen verbindet. Sie können zudem klein oder groß, kurz oder lang und grundsätzlich maßgeschneidert auf die Zielgruppe gestaltet werden. Der neue Hype rundum Clubhouse zeigt, dass sie sogar ohne visuelle Inszenierung auskommen. Das hätte man bis dato nicht für möglich gehalten.
Um künftig mit einer Mischung aus physischem und digitalem Event Erfolg zu haben, gilt es jedoch noch ein paar Hürden zu überwinden. Insbesondere im Hinblick auf das eigentliche „Produkt“ jeder Veranstaltung: das Zusammentreffen von Menschen, das damit verbundene Kennenlernen und den inhaltlichen Austausch zu Themen. Bei digitalen Veranstaltungen funktioniert dies bisher überhaupt nicht beziehungsweise nur nach dem Einbahnstraßen-Prinzip.
Teilnehmer können zum Beispiel per Chat-Kanal Fragen stellen. Gleichzeitig sehen sie aber nicht, wer den Speakern bzw. Podiumsteilnehmern aktuell noch zuhört. Geschweige denn, dass es die Möglichkeit gäbe, mit den anderen Teilnehmern zu interagieren. Um dies zu ermöglichen braucht man aktuell deutlich bessere technische Lösungen, die für Veranstalter, Marken und Teilnehmer leicht zugänglich sind. Erste vielversprechende Ansätze dafür sind bereits auf dem Markt.
Reales digitales Networking Ein gutes Beispiel ist das virtuelle Event-Studio von Faber Audiovisuals. Ähnlich wie man es von Zoom & Co. bereits kennt, sind hier die Teilnehmer der Veranstaltung für alle sichtbar, wodurch die grundlegende Basis für ein emotionales Gemeinschaftserlebnis entsteht. Fragen werden nicht anonym per Chat gestellt, sondern können persönlich vorgetragen werden. Der Fragesteller erscheint dabei gut sichtbar für alle auf den LED-Panels im Hintergrund der Bühne.
Ein ähnliches Ziel verfolgt auch die OnLive-Eventplattform der Eventagentur B.Effective. Eines ihrer zentralen Features: die Chatfunktion, über die Teilnehmer sich untereinander sowie mit den Moderatoren austauschen können. Genau wie bei analogen Veranstaltungen ist es hier möglich, mehrere Workshops in unterschiedlichen Streams parallel zueinander stattfinden zu lassen. Nicht zuletzt ist die Plattform-Umgebung individuell an das Kundenbranding anpassbar.
Vom Event zum Meinungstreffpunkt
Auch bei Interesse am Thema eines Events ist in der vergangenen Zeit die Bereitschaft deutlich gesunken, sich dafür zeitlich und räumlich zu binden. Diesen Trend können Veranstalter und Marken für sich nutzen, um im Rahmen eigener Kanäle eine permanente Interaktion mit der Zielgruppe anzubieten. Das eröffnet nicht nur die große Chance, über den omnipräsenten Zugang zu Inhalten zu einem beliebten Meinungstreffpunkt zu werden, sondern auch jüngere Generationen zu erreichen.
Wie dies in der Praxis aussehen kann, hat SAP bereits vorgemacht. Nachdem im Frühjahr 2020 mehrere Live-Veranstaltungen mit tausenden eingeladenen Kunden abgesagt werden mussten, stellte sich das Unternehmen nach eigener Aussage wie ein TV-Sender auf. In diesem Zuge konnte man Inhalte der Events nachträglich online ansehen. Zunächst war dieses Angebot auf das passive Konsumieren der Marketing-Angebote ausgelegt. Es ist jedoch zu erwarten, dass SAP noch dieses Jahr ein interaktives Format auflegt.
Seit 2007 treibt Michael Moser als Geschäftsführer und Gesellschafter die Entwicklung der Agentur Shanghai.Berlin voran. Sein Credo – nicht nur für das digitale Zeitalter: Umwälzenden Veränderungen gilt es mit intelligenten neuen Strategien, Strukturen und Kulturen zu begegnen.