Jeannine Koch, Vorstandsvorsitzende des
media:net berlinbrandenburg e.V., denkt über die Frage
"Back to normal oder neu denken?" bei Veranstaltungen nach.
Als Veranstalter*in, Gastronom*in, Künstler*in, Netzwerker*in hat man es seit Ausbruch der Pandemie nicht leicht. Man solle weitermachen, den Kopf nicht in den Sand stecken, agil agieren und um die Ecken denken – all das ist seit vielen Monaten Lebensrealität einer Vielzahl von Menschen der Kreativwirtschaft (genau genommen ist das bisweilen der Arbeitsalltag genannter Branchen auch ohne Pandemie).
Also wurde in der Branche gebrainstormed und digitalisiert, was das Zeug hielt und dabei kamen spannende und weniger spannende alternative – oft auch sogenannte „hybride“ – Formate heraus. Doch wie sich herausstellt, ist die zunehmende Hybridisierung auch nicht der Weisheit letzter Schluss. Frisst sie doch leider Unmengen an Ressourcen wie Arbeitszeit der meist ohnehin wenigen und am Anschlag arbeitenden Mitarbeiter*innen und jede Menge Geld, um Veranstaltungen jedweder Art nun auch digital abbildbar machen zu können, was dazu führt, dass mehr Einnahmen durch Sponsoring, Förder-und Eintrittsgelder generiert werden müssen.
Dabei wird der Begriff der „Hybridveranstaltung“ heruntergebrochen auf eine Veranstaltungsform, die ich „Fernsehen machen“ nennen würde. Die meisten Formate dieser Art sind One-Way-Channel! Die Veranstalter*in sendet und die Rezipient*in empfängt. Echte beidseitige Interaktionsmöglichkeiten fehlen zumeist. Zudem wird in den wenigsten Fällen die Sinnhaftigkeit dieser Art von Event-Umsetzung hinterfragt. Auf welche Ziele soll es einzahlen, welche Bedürfnisse gestillt und Bedarfe der Branche gedeckt werden und welche neuen Möglichkeiten eröffnen sich dadurch überhaupt?
Viele Veranstalter*innen sehen dann einen Mehrwert in der Reichweite der digitalen Angebote, die dann auch im Nachgang abrufbar sein werden. Jedoch konkurrieren diese Aufzeichnungen dann mit sämtlichen Streaming-Angeboten, TV-Sendungen, Podcasts, Zeitungen, Radio, Spaziergängen und Freizeitaktivitäten, die bei den Konsument*innen auch noch gewichtige Rollen spielen. Nicht alles muss aus meiner Sicht auch hybridisiert werden.
Wir Veranstalter*innen müssen uns nach diesen kontaktarmen Monaten auch eingestehen, dass einer der wichtigsten Nutzen, die Veranstaltungen für Besucher*innen und Teilnehmer*innen haben, vor allem die Vernetzung und das gemeinsame Erlebnis sind. Sich beim Heiß- oder Kaltgetränk über die neuesten Geschäftsentwicklungen auszutauschen, sich angeregt über neue Projektideen zu unterhalten und währenddessen in die Augen eines dreidimensionalen Gesichts schauen zu können, dabei die Gestik und Mimik des Gegenübers unmittelbar wahrzunehmen und die Energie im Raum zu spüren.
DAS sind doch die wahren Gründe, warum wir alle ständig zu Messen, Konferenzen und Festivals tingeln, tausende Kilometer im Jahr und etliche Stunden in Fliegern, Autos und Zügen verbringen und uns darauf freuen, endlich wieder inspirierenden Input von Menschen zu erhalten, denen man sonst nie begegnet wäre.
„Serendipity, also die Zufälligkeit von Begegnungen macht unser Business so aufregend und ermöglicht es uns, Ideen, Träume und Ziele gemeinsam in die Wirklichkeit zu transportieren. “
Jeannine Koch, Vorstandsvorsitzende des media:net berlinbrandenburg e.V.
Serendipity, also die Zufälligkeit dieser Begegnungen macht unser Business so aufregend und ermöglicht es uns, Ideen, Träume und Ziele gemeinsam in die Wirklichkeit zu transportieren. Deshalb treffen uns die fehlende politische Entscheidungsfreudigkeit und der fehlende Mut, Gesetze zum Schutze aller durchzusetzen, auch in diesem Winter besonders hart.
Trotz vielerorts umgesetzter 2G-Regeln und einer deutschlandweiten Impfquote von 67% (vollständig Geimpfte) sind die Impfdurchbrüche eklatant und die Ansteckungszahlen enorm. In welcher Relation dies nun insgesamt zu betrachten ist, was die Belegung der Intensivbetten bei gleichzeitigem Mangel an Pflegepersonal angeht, möchte ich hier nicht weiter erläutern. Fakt ist: die Zahlen gehen hoch, die Ängste der Menschen zu erkranken verstärken sich und die Sorge vor dem nächsten Lockdown steigt.
Doch ein Gutes hätte es vielleicht: Wir könnten uns in einem nächsten Vakuum dann noch einmal neu erfinden. #IronieOff
Machen Sie mit: Umfrage medien.barometer 2021
Der media:net berlinbrandenburg e.V. befragt jährlich die Medien-, Kreativ- und Digitalwirtschaft und erstellt ein Stimmungsbarometer. Im aktuellen medien.barometer geht es um die Einschnitte in der Pandemie, aber auch um Chancen und Potenziale, um neue Geschäftsmodelle und Betätigungsfelder. Hier geht es zur Umfrage, die am 22. November 2021 endet.